Mittwoch, 27. März 2019

China und die Seide - drei Stationen

Hallo!

So, ein neuer Post von unserer Reise... Und wenn ihr findet, der Titel "China und die Seide" klinge vielleicht etwas gar ambitioniert, gebe ich euch recht. Natürlich bin ich nicht so irre, die volle Bedeutung der Seide in Chinas Geschichte in einem einzelnen Beitrag abhandeln zu wollen. Stattdessen erzähle ich heute schlicht von drei spannenden Stationen, an denen wir dem Thema Seide begegnet sind. Und ich benutze den Post als Vorwand, um noch mehr Reisefotos zu streuen :-)

Quelle: OpenStreetMap


Die drei Stationen sind Ürümqi in Xinjiang, Chendgu in Sichuan und Suzhou nahe Shanghai.


Station 1: Ürümqi

Funde entlang der Seidenstrasse

 

Ürümqi war unser Startpunkt in China. Wir hatten in Kasachstan den Zug genommen und 30 Stunden später waren wir in China, genauer gesagt in der Hauptstadt der autonomen Region Xinjiang, Ürümqi. Ürümqi ist eine Millionenstadt, jedoch umgeben von Wüste. Hier fanden Archäologen nicht nur Mumien, sondern auch alte Textilien, die in der trockenen Umgebung aussergewöhnlich gut erhalten wurden (die Fundstücke, die ich behandle, stammen aus ganz Xinjiang, nicht nur aus der unmittelbaren Umgebung Ürümqis). Diese werden im Xinjiang Regionalmuseum ausgestellt.

Moschee in Ürümqi
Lichtshow auf dem roten Berg in Ürümqi
Die flammenden Berge, ca. 200 km ausserhalb Ürümqis
Wie gesagt liegt Ürümqi in der Nähe der Taklamakan-Wüste. Diese musste früher durchqueren, wer von China in den Westen reiste. Und das taten eine Menge Leute, um verschiedene Güter zu transportieren. Dieses Netz aus Handelsrouten, das sich über die Jahrhunderte zwischen Ost und West bildete, kennt man heute natürlich als Seidenstrasse. Und Ürümqi war eine wichtige Station für Reisende auf der Seidenstrasse. Seide war dabei nur eines von vielen Gütern, die gehandelt wurden. Und zur Klarstellung: Die Funde, die ich fotografiert habe, waren nicht zwingend Handelswaren, sie wurden schlicht entlang häufig begangener Routen entdeckt.

Modell einer antiken Handelsstadt

Die nächsten zwei Fotos zeigen Seidenfunde aus Niya (im Süden Xinjiangs); kleine Kammtaschen und eine Frauenhose, beide mit feinen Webmustern. Ich hätte gerne mehr dazu geschrieben, vor allem hätte ich gerne mehr über die Hosen gewusst. Warum wissen wir, dass es Frauenhosen waren? War dies ein übliches Kleidungsstück? Ich finde aber leider kaum Informationen. Der aus heutiger Sicht spezielle Schnitt, das schöne Muster und die Tatsache, dass diese Gegenstände an die 2000 Jahre alt sind, waren für mich aber Grund genug, sie hier zu zeigen.

Kämme mit Taschen aus Brokat, Han und Jin-Dynastien
Frauenhose aus Brokat, Han und Jin-Dynastien

Die Mumie auf dem unteren Foto ist bekannt als der "Yingpan Man". Er ist nicht so alt wie andere Mumien im Museum ("nur" ca. 1900-jährig) und zu sehen ist nur seine Kleidung (der weisse Kopf ist natürlich eine Maske), deshalb wirkt er auf die meisten Besucher wohl weniger spektakulär als die anderen Mumien. Ich fand aber unglaublich, dass dieser Wollmantel fast 2000jährig sein soll (ja, Wolle, nicht Seide, ich weiss...), so deutlich sind die Farben, so gut erhalten das Gewebe. Man beachte ausserdem, dass kleine Engel auf dem Kaftan abgebildet sind, der Stoff ist also europäisch inspiriert! (Der Mann selbst soll am ehesten aus Zentralasien stammen, also kein Chinese sein). Bemerkenswert ist der Mann aus Yingpan überdies, weil er fast zwei Meter gross gewesen sein soll.


Eine weitere Halle des Museums ist den verschiedenen Ethnien der Region gewidmet, vor allem deren Trachten und traditionellem Handwerk. Besonders spannend fand ich hier die Seiden, welche die Uiguren (die grösste Bevölkerungsgruppe in Xinjiang) weben. Speziell ist nämlich, dass das Muster jeweils entsteht, BEVOR die vielen Fäden zusammengewoben werden. Die Kettfäden werden an verschiedenen Stellen abgebunden, so dass beim Färben keine Farbe dran kommt. Dieser Vorgang wird für jede Farbe neu wiederholt. Erst danach wird gewoben, um das ganze Bild zusammenzuhalten. Man stelle sich die ganze Planung vor! Die Stoffe mit den daraus entstehenden, leicht verschwommenen Designs nennt man Aidelaisi-Seide (die gleiche Technik ist in anderen Ländern als Ikat bekannt). Die Muster sind in Xinjiang immer noch weit verbreitet, aber leider vor allem als billige Prints anstatt echten, gewobenen Tüchern. Ich hätte nur zu gerne gesehen, wie so ein Stoff entsteht. Die Frau, die hier im Museum am Webstuhl sitzt, ist jedoch leider nicht echt.


Aidelaisi-Seide zu Zeiten der Qing-Dynastie (1644-1911)
Aidelaisi-Seide zu Zeiten der Qing-Dynastie (1644-1911)

Station 2: Chengdu

Versteh mal einer diese Webrahmen

 

 

Big Panda is watching you
Baihuatan-Park in Chengdu
Chengdu liegt im Süden Chinas, in der Provinz Sichuan. Bekannt vor allem für scharfes Essen und Pandabären, war diese Region auch ein wichtiges Zentrum der Seidenproduktion. Davon zeugt das "Chengdu Shu Brocade and Embroidery Museum", das ich besuchte. Das Museum zeigt vor allem Brokate, also schwere, gewobene Seiden. Eine ganze Halle ist nur schon den Webrahmen gewidmet! Daneben sind aber auch viele Stickereien zu sehen.

Die ältesten Brokate gehen auf die westliche Zhou-Dynastie zurück und sind deshalb bis zu ca. 2700 Jahre alt! (In chinesischen Museen wird als Alter der Ausstellungsstücke meistens nur angegeben, aus welcher Dynastie es stammt. Was leider sehr ungenau ist, da manche Dynastien ja mehrere hundert Jahre bestanden.) Die Muster waren damals natürlich noch schlicht. Interessanterweise wurde das Muster damals mit den Kettfäden gebildet (also den fest im Rahmen eingespannten Fäden) statt mit den Schussfäden (die Fäden die man hin und her webt), ähnlich wie bei der Adelaisi-Seide.

Brokat aus der "Warring States"-Periode (475-221 v.Chr.)
Mit der Zeit wurden die Muster immer komplexer, Tiere waren beliebte Motive.

Brokat zu Zeiten der Qin- und Han-Dynastien
Hey, ein Kamel! Brokat zu Zeiten der Sui- und Tang-Dynastien
Schliesslich wurden die Webstühle immer ausgeklügelter und damit auch die Muster. Die Kettfäden sind jetzt jeweils alle von der gleichen Farbe (im Foto unten grün, rot bzw. rosa im hintersten Webstuhl). Die Musterung entsteht dadurch, dass einzelne Kettfäden durch vertikale Fäden angehoben werden und die verschiedenfarbigen Schussfäden dann je nach Einstellung darüber oder darunter kommen. Wie genau das aber funktioniert... es erscheint mir immer noch wie Hexerei ;-)

Verschiedene Webstühle
Rote Seidenkettfäden
Das Muster (hier eine Opernmaske) wird sichtbar
Wie gesagt beheimatet das Museum aber auch schöne Stickereien. Interessant ist, dass in der Ming-Dynastie (13. - 17. Jh) sowohl Beamte wie auch Militärs gestickte Abzeichen trugen, die ihren Rang verrieten. Diese Abzeichen nannte man Mandarintücher. Beamte erster Klasse erhielten Kranich-Abzeichen. Hohe Militärs waren Löwen oder Tiger, im neunten Rang reichte es immerhin noch zum Rhinozeros.

2. Militärrang: Löwe. Die Fledermäuse stehen für Glück
6. Beamtenrang: Reiher
Dieses Museum war nicht nur liebevoll eingerichtet, sondern auch das Museum mit den meisten Hintergrundinformationen. Sogar kleine Begleittexte in Englisch zum Mitnehmen gab es. Das hätte ich in den anderen beiden Museen auch gerne gehabt.


Station 3: Suzhou

Seidenraupen züchten und kochen

 

Suzhou liegt etwa 100 km ausserhalb von Shanghai. Hauptanziehungspunkt ist die hübsche Altstadt mit ihren vielen Kanälen oder die Gärten, die über die ganze Stadt verteilt sind. Aber auch Suzhou hat eine lange Geschichte als Produktionsort für Seide und ist Heimat des "Suzhou Silk Museums".

Kanal in der Altstadt Suzhous
Suzhou, Lingering Garden
Gasse in Suzhou

Die Museen in Chengdu und Suzhou überschneiden sich inhaltlich. So gibt es in beiden Museen beeindruckende Webrahmen und Gewänder. An beiden Orten erfährt man auch, wie Seidenraupen gezüchtet werden, um Seide zu gewinnen. In Suzhou wird das aber besonders anschaulich gemacht, deshalb konzentriere ich mich hier auf diesen Teil des Museums.

Maulbeerbäume im Innenhof
Die Raupen wachsen...
... verpuppen sich...
... und werden abgekocht. Aus den übrig bleibenden Kokons werden dann die Seidenfäden gewonnen.

Seide wird aus den Kokons der Seidenraupen gewonnen. Diese ernähren sich von den Blättern der Maulbeerbäume. Der Kokon, in den sich die Raupen einspinnen, sind ziemlich hart. Sie werden eingesammelt und gekocht, was die Seide wieder weich macht aber auch die Raupen im Inneren abtötet. Die Fäden mehrerer Kokons werden danach zu einem Seidenfaden aufgewickelt.

Das Museum zeigte auch einige sogenannte "Wolkenkragen". Das sind reich bestickte Seidenkragen, die aus einzelnen Ornamenten bestehen und über Schulter, Brust und Rücken fallen. Sie wurden dann über der restlichen Kleidung getragen. Die Kragen werden um das 12./13. Jahrhundert das erste Mal erwähnt, sollen aber viel älter sein. Viele Kragen, die heute noch erhalten sind, stammen aus der Qing-Dynastie, also aus dem 17. bis frühen 20. Jahrhundert. Ich finde diese Kragen wunderschön, fand es aber auch hier schwierig, Hintergrundinformationen zu finden. Fündig wurde ich beim Museum Heidelberg und The Art Bulletin, falls ihr ebenfalls mehr wissen wollt.

Wolkenkragen aus der Qing-Dynastie (1644-1911)

Blütenförmiger Kragen, ebenfalls aus der Qing-Dynastie

In einem weiteren Raum standen mehrere Industriemaschinen. Wir konnten nur vermuten, dass sie einst für die mechanische Produktion von Seide verwendet wurden, alle Texte waren aber auf chinesisch. So blieb uns die genaue Funktionsweise verborgen, aber auch so waren die Maschinen schön anzuschauen.




Das wär's also gewesen von China. Ich hoffe, ich konnte ein bisschen was von meiner Faszination für diese Orte und die Seide selbst teilen. Und falls jemand von euch mehr weiss über eines der Dinge, über die ich hier geschrieben habe, würde ich nur zu gerne davon hören.

Liebe Grüsse
Eta Carina



Hello!

So it's another travel-post... and if you think the title "China and silk" sounds maybe a little bit overambitious, I think you're absolutely right. I'm sure not as mad as to think I could explain the relations between silk and China in one single post. Instead, I just want to tell you about three interesting stations of our journey related to silk. And I use this post as a pretence to show some more travel photos :-)
The three stations are Urumqi in Xinjiang, Chengdu in Sichuan and Suzhou near Shanghai.


Station 1: Urumqi

Finds along the Silk Road

 

Urumqi was our starting point in China. We had boarded a train in Kazakhstan and some 30 hours later we where in China, or more precisely in the Capital of Uyghur Autonomous Region Xinjiang, Urumqi. Urumqi is a city of several million inhabitants, but surrounded by desserts. Here archeologists found not only mummies, but also ancient textiles that where extraordinarily well preserved in this dry environment (the finds I write about come from all over Xinjiang, not only from Urumqis direct surroundings). Those findings are on display in the "Xinjiang Regional Museum".

Urumqi lies near Taklamakan desert. People travelling westwards from China often had to cross it. And a lot of people wanted to do exactly that, in order to trade goods along a net of trade routes well known as the Silk Road. This made Urumqi an important hub along the Silk Road. Silk was of course only one of many things that where transported. And I thought I might need to clarify that the things I show here wheren't necessarily trade goods, they where just found along the Silk Road.

The next two pictures show silk findings from Niya (in southern Xinjiang); small bags for combs and women's trousers, both with finely woven patterns. I would have liked to write more about those things, especially about the trousers. How do we know they where for women? Where they a typical garment for that time? But sadly I hardly find any information. But because of the unusual cut (from today's perspective), the beautiful pattern and the fact that those objects are about 2000 years old I wanted to show them anyway.

The mummy on the next photo is known as the "Yingpan Man". Because he's not as old as other mummies in the museum ("only" 1900 years old) and because we can only see his clothes (the face is only a mask) he might not seem that spectacular for most visitors. But I was again amazed that his wool coat is supposed to be almost 2000 years old (yes, wool not silk, I know...), because the colours where still so vivid and the tissue in such good condition. It also depicts some kind of angels, so the fabric or at least the inspiration for the pattern seems to come from Europe! (The man itself is believed to most likely be from Central Asia, so he's not Chinese.) Furthermore the Yingpan Man was supposedly almost two metres tall.

Another part of the museum was dedicated to the different ethnic groups of the region, mainly their traditional clothes and crafts. Here, I especially loved the silks traditionally woven by the Uygurs (the Uygurs make up the biggest part of the population in Xinjiang). What is special is that the pattern is dyed onto the silk threads BEFORE they are even woven together. The warps are tied in different places so they will stay white when dyed. This process is repeated for every single colour. Only afterwards they weave the fabric, to fixate the whole image. Just think about all the planning! This results in beautiful, slightly blurry designs. This kind of silk is called Aidelaisi silk (the technique is better known as ikat in other parts of the world). The patterns are still widely spread throughout Xinjiang, but mainly as cheap prints instead of real woven cloths. I would have loved to see how such a piece of fabric is made. But sadly, the women sitting on the loom in the museum was just a dummy.


Station 2: Chengdu

Can you understand those looms?!

 

Chengdu is situated in Southern China, in Sichuan province. Most well known for spicy food and panda bears, this region was also an important centre of silk production. And to learn more about it I visited the "Chengdu Shu Brocade and Embroidery Museum". As the name suggests, the museum mainly displays brocades. Those are heavy, woven silk fabrics. An entire hall was dedicated to looms alone! But it also houses some highly impressive embroideries.

The oldest brocades mentioned date back to the Western Zhou Dynasty, which means they are up to 2700 years old (you see, chinese museums just tell you what dynastie(s) an object is from. Unfortunately that doesnt give you a very precise date as those dynasties tended to last for centuries.) The patterns from those brocades where still rather simple. Interestingly, back then it was the warps (the threads fixated onto the loom) instead of the wefts (the threads you weave back and forth) that formed the patterns, similar to the Adelaisi silk. In time the patterns became more and more complex. Animals where popular motifs.

Gradually the looms also got more sophisticated, which in turn enabled even more complex patterns. Now the warps are usually all of the same colour (in my photo of the loom hall it's green, red and, on the loom on the rear, pink). By raising individual warps via separate vertically attached threads you can place the differently coloured wefts above or below the warps, this is how the patterns are formed. But how exactly it works... it still seems like sorcery to me :-)

As mentioned the museum is also home to beautiful embroideries. One interesting thing where the so called mandarin squares. During the Ming Dynastie (13th to 17th century) officials and military personnel wore embroidered cloths on their chests that showed their ranks. First class officials got cranes. High military men where lions or tigers whereas ninth class men where mere rhinoceros.

Not only was the exhibition itself well designed, this was also the museum with the most detailed background informations. They even had leaflets in English to take home, something I missed from the other two museums.


Station 3: Suzhou

How to raise and cook silkworms

 

Suzhou is about 100 km away from Shanghai. Its main attractions are the beautiful old town with its many canals and its gardens. But Suzhou too has a long history of produceing silk and is home of the "Suzhou Silk Museums".

The museums in Chengdu and Suzhou overlap thematically. There are impressive looms and robes on display in both museums. And in both museums you can learn about the process of cultivating silkworms to make silk. But I found Suzhou explained it especially vividly, so this is the part of the museum I'll focus on.

Silk is gained from the cocoons of silkworms. They feed on the leafs of the mulberry tree. After the worms have pupated, they form a hard cocoon. They are collected and then cooked. This makes the silk soft again but also kills the worms. The threads of several cocoons at once are into one single silk thread.

The museum also showed several so called "cloud collars". They are richly decorated silk collars shaped in various ornaments that fall over shoulder, chest and back. They are worn over the rest of an outfit. The first time a cloud collar was mentioned is around the 12th or 13th century, but they have supposedly been known for a much longer time. A lot of the collars existing today date back from the Qing Dynasty (17th to early 20th century). I found them very beautiful but again it was hard to attain any information. The little bit I do know is from texts of the Museum Heidelberg and The Art Bulletin, if you want to learn more.

In another room there where several industrial machines. I think they where used for industrial silk production, but all information was in chinese only. So the exact function remains a secret, but at least the machines made for some nice photos.

So, that's it from China. I hope I could get some of my fascination for those places and the silk itself across. And if you happen to know a bit more on the things I wrote about I would love to hear it.

Greetings
Eta Carina